Die Bedeutung solo-selbständiger Wissensarbeit für den Innovationsstandort Deutschland
In Zusammenarbeit mit ifo INSTITUT
Zur Bedeutung solo-selbständiger Wissensarbeit für den Innovationsstandort Deutschland
von Carlos Frischmuth
Der Bundesverband für selbständige Wissensarbeit e.V. setzt sich seit seiner Gründung für mehr Rechtssicherheit und bessere Rahmenbedingungen beim Einsatz von selbständigen Expert*innen ein. Dabei weisen wir immer wieder darauf hin, wie wichtig die selbständigen Wissensarbeiter*innen für den Wirtschaftsstandort Deutschland sind. Solo-selbständige Wissensarbeiter*innen tragen mit ihren spezifischen Kenntnissen dazu bei, externe Impulse in die Unternehmen und Organisationen zu tragen. Durch sie findet Wissenstransfer statt. Sie stehen außerhalb der Organisationen, für die sie arbeiten, und agieren frei von Strukturen und Hierarchien. Durch ihren projektbasierten Einsatz in unterschiedlichen Unternehmen steht ihre Expertise nicht nur einem, sondern einer Vielzahl von Unternehmen zur Verfügung. Damit leisten sie einen veritablen Beitrag für die Innovationsfähigkeit und das Wirtschaftswachstum unseres Landes.
Leider fehlen bisher ausreichende Daten und Fakten, die einen Zusammenhang zwischen (Solo-)Selbstständigkeit und Wirtschaftswachstum belegen. Umso mehr freut es mich daher, dass wir Ihnen heute die Studie „Die Bedeutung solo-selbständiger Wissensarbeit für den Innovationsstandort Deutschland“ vorstellen dürfen, die in Zusammenarbeit mit dem ifo Institut entstanden ist. Sie basiert auf wissenschaftlichen schätzungsbasierten Methoden und belegt, dass es einen positiven Zusammenhang zwischen der reinen Anzahl an selbständigen Wissensarbeiter*innen und dem Wirtschaftswachstum eines Landes gibt. Hierfür wurden im Zeitraum von 1985 bis 2018 31 Länder miteinander verglichen, um die Korrelation zwischen Selbständigkeit und Wirtschaftswachstum bestmöglich interpretieren zu können. In Deutschland kommen auf 100 Beschäftigte nur rund 4 selbständige Wissensarbeiter*innen. Die Spitzenreiter sind Belgien (10), Südkorea (rund 10) und Italien (rund 9).
Betrachtet man alle untersuchten Länder, liegt Deutschland damit im Durchschnitt. Dennoch gibt es einen Trend, der zu Besorgnis führen sollte: Seit 2010 hat die Anzahl der Selbständigen in Deutschland kontinuierlich abgenommen, während bei den drei führenden Ländern der Studie, Belgien, Südkorea und Italien, die Anzahl gestiegen ist. Die Studie zeigt zudem, dass sich für ein beliebiges Land aus dem Vergleich mit einem um 0,24 Prozent höheren Anteil an selbständigen Wissensarbeiter*innen das Wirtschaftswachstum um durchschnittlich 0,4 Prozent steigern ließe. Die geschätzten Wachstumsreserven für das deutsche Bruttoinlandsprodukt liegen laut den Berechnungen des ifo Instituts im zwei- oder gar dreistelligen Milliardenbereich.
Die Ergebnisse der Studie belegen eindrucksvoll, wie der Wirtschaftsstandort Deutschland von hochqualifizierten Selbständigen weiter profitieren könnte. Der internationale Vergleich zeigt auf, dass Deutschland in Rückstand geraten ist. Um die Innovationskraft selbständiger Expert*innen voll ausschöpfen zu können, ist die Politik gefragt. Die Rahmenbedingungen sollten im Sinne des Bürokratieabbaus und einer modernen Gesetzgebung ausgestaltet werden, damit Gründertum und Selbständigkeit neben einer Festanstellung auch als echte Perspektive von den Menschen verstanden werden. Dafür bedarf es neben den richtigen Rahmenbedingungen auch eines Kulturwandels in Deutschland. Wir müssen endlich anfangen, bereits unseren Kindern in der Schule zu vermitteln, dass Unternehmertum und Selbständigkeit attraktive Wege für die Berufswahl sein können, dass sie Chancen bieten und Erfüllung stiften. Sicherlich nicht für alle – braucht es doch Mut, Eigeninitiative und Durchhaltevermögen. Aber es muss deutlich werden: Abhängige Beschäftigung ist nur eine von mehreren Möglichkeiten, sein Berufsleben zu gestalten. Eine neue Bundesregierung hat nun die Chance, die Weichen neu zu stellen.
Es ist im Interesse aller, dass die deutsche Wirtschaft schnell wieder an Fahrt aufnimmt und ihre globale Führungsrolle behält. Dafür braucht es – wie diese Studie erstmalig belegt – auch mehr Selbständigkeit in den wissensintensiven Dienstleistungen. Wir würden uns als Verband sehr freuen, wenn dieser Impuls von Politik, Wirtschaft und Wissenschaft aufgegriffen und die Daten- und Faktenlage hierzu in Zukunft besser untersucht wird. Denn: Gute Regulierung kann nur auf einer fundierten Datenbasis erfolgen.
Carlos Frischmuth, Berlin im November 2021